online beichten?

 

Eigentlich praktisch: Man setze sich an den Computer, gebe die Beicht-Internetadresse ein, entscheide sich für eine Sünde und bekommt per Mausklick die dazu passende Sühne geliefert - "16 Vater Unser und 16 Ave Maria" zum Beispiel als Buße für das elektronische Bekenntnis "Ich habe gestohlen". Aber nur jeweils vier zur Sühne für das Brechen des "Du sollst nicht Töten"-Gebotes? "Jetzt wird's vollends absurd", schüttelt sich Pfarrer Franz Klappenecker - gutwilliger Proband in Sachen elektronische Beichte - sichtlich vor dem Bildschirm. Denn was da  als "Online mit Jesus - Innere Einkehr am Computer" im weltweiten Netz angeboten wird, ist selbst für einen lebenserprobten Kirchenmann harte Kost. Beichte "geht nur von Mensch zu Mensch"

Das Sündenbekenntnis vor dem Bildschirm-Beichtgitter, untermalt vom stereotypen "Großer Gott wir loben Dich"-Computersound - für Klappenecker ein Unding. Die Beichte, so seine Überzeugung, "geht nur von Mensch zu Mensch." Nicht mal, wie etwa die Telefonseelsorge, durch den Hörer: "Ich werd' ja auch nicht angesprochen durch eine Liebeserklärung aus der Technik."

Eingelassen auf das elektronische Beichtexperiment hat er sich jedoch mit Vergnügen. Schließlich gibt's viel Neues in Gefilden jenseits von Kirchenschiff und Kanzel. Der Pfarrer der St. Antoniusgemeinde würde sicher auch mal durchs weltweite Netz surfen, "wenn ich nur die Zeit dazu hätt". Interessant für ihn, beim Versuch in der ZVW-Online-Redaktion, auch das Anklicken der Vatikan-Seiten im Internet - für die Romreise im vergangenen Jahr hätte er sich über die Vatikanischen Museen auch über den Computer informiert. "So gut oder so schlecht wie ein Buch", meint er zu dieser Art der Informationsvermittlung, "es hängt auch von dem ab, der etwas rein gibt."

Und das ist ihm im Falle der elektronischen Beichte suspekt: "Sünden eingegeben wie eine Auftragsbestellung" (Klappenecker), verknüpft mit den elektronischen Bestellmöglichkeiten eines ganzen Devotionaliensortiments samt ausführlichem PC- Beichtprogramm - für Klappenecker wird da nicht nur ein religiöser Grundsatz "ins Banale gezogen", das Angebot grenzt auch an den "Missbrauch der Intimsphäre". Auch wenn hinter dem elektronischen Beichtgitter nur das Gehirn des Computerbildschirms sitzt, und die Eingabe der Beichte anonym ist. "Wenn's als Spielerei gedacht ist, müsste man es kennzeichnen", betont Klappenecker. Der zumindest den Inhalt des unter dem Stichwort "Rosarium" angebotenen elektronischen Rosenkranzes gelten lassen kann: "Sachlich soweit richtig", so das Urteil nach kurzem Überfliegen.

Was jedoch nicht für den Vergebungstext gilt: Die reine Eingabe einer Sünde reicht dem Online-Jesus-Programm nämlich nicht, wissen will es auch, ob der Sünder an der Maus dies vorsätzlich getan hat oder frei nach dem Motto "Denn sie wissen nicht was sie tun." Wer freimütig Vorsätzlichkeit bekennt, bekommt die Bußauflagen genannt - verbunden mit dem Hinweis "Wenn Du wirklich bereust, wird der Herr Dir wahrscheinlich Deine Sünden vergeben." So gut scheint der Draht des Programmschreibers, ein Düsseldorfer Software-Ingenieur, nach oben nicht zu sein. Denn: "Vergebung ist nicht wahrscheinlich, sondern sicher", stellt Pfarrer Klappenecker den traditionellen Kontext für bezeugte Sünden klar. Wenn auch die Beichte vom biblischen Gottesbild her keine Gegenleistung braucht: "Es ist kein Geschäft." Wie auch die Buße "kein zu Kreuze kriechen ist."

 

 

 

Antworten können nicht "schablonenhaft" sein

Zumal sich die Zeiten (auch ohne elektronischen Einfluss) änderten: Was früher die anonyme Beichte hinter dem blick schützenden Gitter, wandle sich mehr und mehr zum offenen Gespräch, zur Beleuchtung der Lebenssituation, zur Suche nach Antworten: "Die können nicht schablonenhaft sein." Genauso wenig wie die Bußaufgaben: Einfach acht Ave Maria zu beten, wie bei der "inneren Computereinkehr" suggeriert, sei nicht mehr zeitgemäß. "Es kann auch in einem Gebet bestehen", sagt der Mann der kirchlichen Praxis. Dem auch mal zur Situation eines seiner Schäflein ein Psalm einfällt. "Ich will etwas verändern, darum bewege ich mich", so Klappenecker über einen möglichen Sinn der Beichte.

Als Beichtvorbereitung, als "Strukturierungshilfe für das Gewissen der Gläubigen" versteht der Düsseldorfer Softwareentwickler sein PC-Programm - ob sich die Sünder an der Maus von den per Zufallsgenerator diktierten Bußaufgaben des Kurzprogramms beeindrucken lassen und umso reuiger und besser gewappnet zur Beichte in die Kirche eilen, bezweifelt Klappenecker: "In der Form kann es nie Strukturierungshilfe sein." Dazu gebe es gute Bücher. Rät's und erzählt, geradezu gleichnishaft, einen kleinen Schwank aus dem Gemeindeleben: Einen in einem Papier angemahnten Fehler habe der Verfasser mit den Worten "das hat der PC gemacht" entschuldigt. Klappenecker, schmunzelnd: "Der PC isch halt der neue Sündenbock."

 

 

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